[Diese Serie behandelt die bei der Comic-Übersetzung auftretenden Sonderphänomene.]
In keiner mir bekannten Sprache gibt es so viele lautimitierend Wörter (giongo) wie im Japanischen. Das deutsche, das seine Onomatopoesie in der Regel zu Verben umgeformt hat, zuckt bei Übersetzungsversuchen nur hilflos mit den Achseln und zieht höchstens ein “rumms” oder “tock tock” aus dem Hut. Im Fachjargon wird häufig die englische Abkürzung SFX benutzt, die für “Sound Effects” steht.
Dazu kommen im Japanischen Wörter, die sich verhalten wie Onomatopoesie, aber in Wirklichkeit nicht Laute, sondern Stimmungen oder Zustände imitieren (gitaigo) – zum Beispiel Verlegenheit, Aufgeregtheit oder gar völlige Stille. An dieser Stelle nimmt das Deutsche klammheimlich seinen Hut und verschwindet durch die Hintertür. Aber dem Comicübersetzer bleibt nichts anderes, als es am Kragen zu packen und einen anderen Hut überzustülpen, der ihm aber nicht so recht paßt. So in etwa kann man sich die Übersetzung von Onomatopoesie in Comics vorstellen.
Interessanterweise sind Soundwörter weniger willkürlich, als es auf den ersten Blick scheint. Auch ohne zu sehen, was genau auf den Bildern passiert, können die jungen Japanerinnen, auf deren Hilfe ich von Zeit zu Zeit angewiesen bin, sagen, was in etwa bei einem bestimmten Soundwort passiert sein muß. Auch daran läßt sich erkennen, das die japanischen giongo/gitaigo differenzierter sind als ein deutsches “rumms” oder “ratsch”.
Es gibt leider keinen Universal-Tip für die Übersetzung dieser Wörter, manchmal ist es auch einfach unmöglich, vor allem, wenn man einen Manga hat, der nicht vordergründig lustig wirken soll. Ein einfaches Beispiel: Was tun, wenn ein Geräusch für Schritte verzeichnet ist, sei es beim Rennen, beim Schleichen oder einfach beim normalen Laufen? Am schwersten ist es, etwas geeignetes für das Letztere zu finden. “Stapf stapf” – schwere, hohe Schritte, “taps taps” – vorsichtige, leise Schritte – das mag noch gehen. Aber ganz normale Alltagsschritte?
Theoretisch gibt es vier Lösungsansätze für diese Art Problem. Nehmen wir das einfache Beispiel “ton ton”, das Geräusch, das entsteht, wenn man mit einer Faust leise gegen eine Tür schlägt.
1. Onomatopoesie wählen: “tock tock”. Der Königsweg.
2. Onomatopoesie erfinden: “schnack schnack”. Nicht die schlechteste der Notlösungen.
3. Ein Verb bemühen: “klopf klopf”. Das geht vor allem in humoristischen Comics der Entenhausener Art.
4. Auf englische Onomatopoesie ausweichen: “knock knock”. Eine gängige Methode, da die meisten Comicleser vertraut genug damit sind, um sie einordnen zu können.
Ein Glück für geplagte Übersetzer ist die Webseite The Jaded Network, die einen Großteil der Onomatopoesie, die einem bei der Übersetzung von Comics begegnet, mit Beispielen und Erklärungen versehen, auflistet. (Allein dort sind schon 2.000 unterschiedliche giongo und gitaigo versammelt.) Die Übersetzungsvorschläge sind alle auf Englisch, was zunächst beim Verständnis hilfreich sein kann, oft aber frustriert, weil man dabei merkt, daß es im Englischen wesentlich mehr Möglichkeiten einer natürlich klingenden Übertragung gibt. Trotzdem ist die Webseite besser geeignet als alle Nachschlagewerke zur Onomatopoesie, die mir bisher untergekommen sind, da die sich im wesentlichen auf die Wörter der Umgangssprache und nicht der Comicsprache beziehen.
Du sprichst mir aus der Seele! Als Jp.-Dt. Übersetzer zermartert man sich da auf der Suche nach einer eleganten Lösung schon das ein oder andere Mal das Hirn. ;)
Manchmal glaube ich, dass Geräuschwörter auch einfach nur romanisiert werden? Lese gerade Captain Tusbasa, und entweder hat sich der Übersetzer viel Mühe gegeben, oder aber nur romanisiert. Läuft ein Spieler schnell über den Platz so macht es “Saus” (ist wohl also eine Übersetzung). Ein angenommener Ball macht “Bitsch”, was ja nun auf keinen deutschen Ursprung hindeutet, ebensowenig wie der nach einem harten Schuss durch die Luft fliegende Ball: Gyuuum!
Das Geräusch für tobende Fans in einem Fußballstadion (Waaa Waaa) finde ich allerdings weniger gelungen, das klingt für meine Ohren (oder Augen? ;) ) eher nach Weinen. Was mir die Laufgeräusche “Da da da da” oder “du du du du” sagen sollen, weiß ich auch noch nicht so recht. Da hätte ich doch eher ein etwas härteres “trap” oder “plok” erwartet. Hm.
Wie mit den Geräuschwörtern umgegangen wird, hängt maßgeblich von den Verlagshäusern ab. Manche wollen Übersetzungen, andere Romanisierungen, manche wollen Verben (wie das obige “saus”), manche lassen nur Geräuschnachahmungen (“bitsch”) zu, andere wieder bevorzugen die geläufigen englischen Soundwords. Ich selbst bevorzuge eine Mischung as Verben (vor allem bei humoristischen Manga) und Geräuschnachahmungen, aber die sind natürlich das Schwierigste, insbesondere, wenn man sie neu erfinden muss, weil es nichts Konventionelles gibt.