Ein nicht unbeachtlicher Teil aller Übersetzungen aus dem Japanischen sind Comicübersetzungen. Die ungebrochene Popularität der schwarz-weißen Bildgeschichten sind für verarmte Japanologen eine Möglichkeit, sich das Hartz vom Leibe zu halten. Im Grunde genommen gelten ähnliche Voraussetzungen, wie für alle anderen Übersetzungen: Es ist von Vorteil, Japanisch zu können, und wenn man dann noch das Deutsche beherrscht, kann es eigentlich fast losgehen. Ein paar Unterschiede gegenüber der Übersetzung von Erzählungen, Gebrauchsanweisungen oder Verträgen gibt es aber doch. In der kleinen Comic-Serie, die mit diesem Eintrag beginnt, schreiben ich von diesen Besonderheiten.
Das Zielpublikum
Für die Außenwelt erscheinen Mangafans sicherlich recht homogen und damit ein einfach zu bedienenes Publikum. Wie oft, sieht es von innen etwas anders aus. Puristen, die am liebsten zum japanischen Manga nur eine Übersetzung in Fußnotenform hätten gibt es genauso wie Leser, die ein möglichst leichtes Lesevergnügen ohne irritierende Fremdkörper wünschen. Man kann diese Situation sehen als ausweglose Lage oder als Narrenfreiheit. Vernünftig, wenn man vorhat, die Übersetzung zu verkaufen, ist sicherlich ein Mittelweg, bei dem man versucht, Lesern mit durchschnittlichen Vorkenntnissen die Comics in einer gut leserlichen Form zu präsentieren, die aber aus einem Maki-zushi keine Bockwurst macht. Ein Beispiel:
In einem Band, den ich jüngst übersetzte, hatte ein Sumitsubo eine tragende Rolle.
Dieses Gerät benutzten Zimmermanner, um gerade Linien zu ziehen. Um die Rolle gewickelt ist ein Faden, den man durch die in der Mulde befindliche Tinte zieht. Danach wird der straffe Faden auf das Holzstück gelegt, das man damit schneiden möchte. Die so entstandene Markierung hilft bei der kommenden Arbeit zur Orientierung.
Puristen schreiben nun in der Übersetzung Sumitsubo. Es gibt ja heutzutage das Internet für alle, die es genau wissen wollen. Anpaßler wählen vielleicht “Schlagschnur”, denn das ist das deutsche Äquivalent dafür. (Daß vermutlich der ein oder andere da ebenfalls eine Suchmaschine wird bemühen müssen, bleibe hier außen vor.)
Nun träufelt aus dem Sumitsubo jedoch sichtbar Tinte, und ein Schlagstock ist für gewöhnlich mit Kreidepulver gefüllt. Was ist da der Mittelweg? Die Antwort ist: Es gibt keinen, denn “vormoderner Zimmermannstintenschlagstock” möchte niemand lesen. Es gibt nur eine unelegante Lösung mit Anmerkung. Und so ist das oft.
Viele Comicleser emfinden aber Anmerkungen als störend, so daß man manchmal zwar keine Bockwurst aus dem Maki-Zushi, aber vielleicht einen Bademantel aus dem Yukata macht. Mir als Übersetzer hilft dann immer die Vorstellung, daß ich jung bin und das Geld brauche.
Aloha, ich bin so frech zu kommentieren ^_~
Als Nur-Konsument freue ich mich, wenn der Text zu den Bildern passt (das klappt auch nicht immer). Abhängig von der Zielgruppe einer Geschichte finde ich Anmerkungen rechts und links (wie in den Original-Manga ja auch gelegentlich) oft hilfreich. Ein Beispiel dafür ist/war die Serie “Sayonara Zetsubou-Sensei”, da die Leserschaft im Ausland mit der japanischen Politik/Glitzerwelt/Nachrichten-Tsunamis nicht immer so bewandert ist und manchen Scherz einfach nicht erkannt hätte. Das Publikum jedenfalls gehörte gezielt nicht nur “Naruto/Dragonball”-Kategorie, also konnte man da auch sehr viel Erklärungstext “zumuten”.
Wenn es eher um Comedy/Gags etc. geht, finde ich “freiere” Übersetzungen, die “besser” in die westliche Erlebniswelt passen, durchaus gut, vor allem, wenn die Szenerie nicht typisch Japanisch ist.
Der lakonische Humor einer Kazuma Kodaka lässt sich m. E. bei einer “strikten” Übersetzung nicht so einfangen wie die deutsche Version, die den Oosaka-Dialekt in Schnoddersprache, freche Sprüche etc. “transkribiert” hat. Da ist der Genuss garantiert… und die Kritik vielleicht nicht so groß, wenn sich nur wenige die Mühe machen, Original und Übersetzung nebeneinander zu legen und zu vergleichen.
Ich glaube, es gibt nicht DEN richtigen Weg, sondern abhängig von Zielpublikum, Geschichte, Bildern, Erzählfluss etc. muss jemand im Einzelfall entscheiden, wie die finale Version aussehen soll. Und das ist ja nicht immer der/die fleißige Übersetzer/in ^_~
Haha. Wie nett, dass ich in einem Kommentar auf deinem Blog gleich so ein nettes Kompliment vorfinde. Das ölt doch mein altes Übersetzerherz. (Osaka-ben übersetze ich tatsächlich oft als Schnoddersprache, weil das eben auch zu dem Klischee passt, das die Dialekt sprechenden Figuren zu 99% erfüllen. Es geht dabei auch für Japaner oft weniger um die tatsächliche Herkunft der Figur, als um ihren (einfach pauschal postulierten) Charakter. ;-)
Dabei wiederum ist die Frau B. ja Expertin, gell?
Deiner Vermutung, so eine Attitüde sei unprofessionell, kann ich übrigens nicht beipflichten. Ich halte es da genau so wie du. Wenn’s witzig sein soll, versuche ich in der Regel, ein deutsches Äquivalent zu finden, das funktioniert.
Ich glaube, ich wäre fast gemein geworden, und hätte das Ding “Schlagschnur” genannt. Und dann mit einem Kommentar angemerkt, dass in Japan dafür Tinte und nicht Kreide verwendet wird. Dann sollen sie mal googeln und lernen gleich zwei Sachen auf einmal! ;-)
An kimera: Danke für die Worte! Es hängt genau vom Zielpublikum ab, aber wie Du schon genau sagst, hat man da als Übersetzer nicht das letzte Wort. Ich neige immer zum erklärerischen, weil mich die Texte aber auch eher kulturell interessieren, als ich mir daraus Lesegenuß verspreche.
Ich glaube übrigens, daß viele Fans tatsächlich Übersetzungen vergleichen – aber nicht die japanische mit der deutschen, sondern die englische (Fan-)Übersetzung. Verrückterweise wird das dann immer als richtiger empfunden als die deutsche Ausgabe.
An Nina: Ja, für Osaka-Dialekt ist das eine gute Lösung! Bei anderen Dialekten – Tohoku und so – wird’s ganz schnell ganz schwierig, aber glücklicherweise ist mir das bisher nicht untergekommen.
Und rate mal, wie ich das gelöst habe – genau wie Du. Anmerkung wurde dann wieder rausgenommen, aber das ist OK.