Japan ist komisch – zumindest läßt sich das in jeder beliebigen Zeitung, in jedem Wochenmagazin nachlesen. Der gescheite Leser weiß, daß die meisten Phänomene Ursachen haben, und daß das alles so komisch nicht sein würde, machte man sich die Mühe, beim Berichten nicht nur die Blüten zu zeigen, sondern auch Stengel und Wurzeln ein bißchen Beachtung zu schenken.
Dann wiederum gibt es ein paar Dinge, die mich trotzdem erstaunen. Eines davon ist das Anhäufen von Informationen auf Schildern, Aufklebern, Plakaten, aber auch die Ansagen, die aus Lautsprechern strömen oder aus Bildschirmen strahlen. Damit meine ich nicht einmal Werbung – denn wo nervt die nicht? – , sondern offizielle Meldungen öffentlicher Institutionen wie Universitäten, Kindergärten, Bahnbetriebe, Bürgerämter etc. Ich gebe zu, daß mich wichtige Informationen, die man sich einzeln zusammensuchen muß, ärgern, ganz egal, auf welchem Teil der Weltkugel ich mich befinde. Es scheint mir aber, Japan hat sich zum Vorreiter der Informationsverstreuung aufgeschwungen.
Als Ausländer versteht man entweder kein Japanisch und kann also ohne schlechtes Gewissen alles überlesen und im Fall des Falles unschuldig gucken. Oder aber man hat sich die Sprache mit Mühe und Not angeeignet und quält man sich bei jedem Schritt aus dem Haus durch eine Unmenge an Texten, die in der Regel Selbstverständliches wiedergeben, sich der stetigen Gefahr bewußt, daß man Wichtiges überlesen könnte. Das klingt abstrakt; nun zum Anschaulichen: ein paar Bildern.
Die Informationswut geht bis zu Lageplänen für Toiletten. Nicht, daß sich so etwas mit zwei weiteren Schritten von selbst ergeben hätte – immer besser, sich vorher absichern zu können. Sonst pinkelt man vielleicht versehentlich ins Waschbecken. Dieses Bild war keine verrückte Ausnahmeerscheinung:
Leider hat man am zweiten Schild verpaßt, darüber zu informieren, wie weit entfernt die anderen Toiletten sind.
Ich möchte mich gar nicht beschweren über diese Lagepläne – immerhin finde ich es zuvorkommend, daß es im Gegenzug viele Karten auf Bürgersteigen und in Häusern gibt, die einem manchmal sogar das Leben erleichtern. Ein einzelnes Exemplar dieser Art läßt sich auch noch kurios nennen. Es ist aber nur schwer zu beschreiben, wie all diese Informationstafeln wirken, wenn man sie im Ensemble erlebt. Für einen ersten Eindruck habe ich ein kleines Experiment gestartet: Wie viele Hinweiseschilder begegnen mir vom Betreten des (kleinen) Bahnhofs bis zum Einsteigen in die Bahn? Werbung und Richtungsangaben habe ich dabei ausgelassen.
Die Warnhinweise im Zug selbst erspare ich der Leserschaft. An dieser Stelle dürfen Sie auch erleichtert sein, daß ich die akustische Belästigung nicht festgehalten habe – von den bahnhofseigenen Wegweisern und der reichlich vorhandenen Werbung ganz zu schweigen. Ich habe Verständnis dafür, daß sich so eine private Bahngesellschaft absichern möchte, aber das hier halte ich für Wahnsinn.
Der Bahnhof war für mich die einfachste Möglichkeit, so etwas festzuhalten, aber es begegnet einem überall. Als letztes Beispiel für Überinformation ein Screenshot eines ganz normalen japanischen Fernsehprogrammes:
Uhrzeit, Wetter, Nachrichten, Werbung, das eigentliche Programm + jemand, der einem demonstriert, wie man sich beim Ansehen fühlen soll. Nach einer Minute ist man voll informiert – passenderweise genau der Zeitpunkt, zu dem man das Bedürfnis hat, wieder auszuschalten.
Man kann hier wirklich nichts falsch machen. Wobei ich wirklich manchmal glaube, dass ich die einzige bin, die alle diese Schilder brav liest.
Übrigens habe ich so was auch mal in meinem Journal gemacht. Kannst ja mal unter dem Tag “wohnheim” schauen. :)
Danke für den Hinweis. 18 Verbotsschilder in einer einzigen Küche – nicht übel!
Voll krass, aber das sieht man ja auch immer in den Filmen: Tokyo erkennt man an den vielen Informationen bei Nacht ^^°
Ein Teil der von dir gezeigten Sachen findet man aber auch hier: die Aufkleber an der Rolltreppe…. dabei fehlt da noch die Warnung, nicht mit nassen Schuhen drauf zu stehen… ich bin neulich mit nassen Schuhen und etwas viel Schwung auf ein Rollband gelaufen, das Gefälle hat… mich hats voll auf den Hintern gesetzt.
Wie man sich im Zug richtig verhält, darüber liegen bei uns im Zug Flyer aus und über die Schilder zum Thema Rauchen würde ich mich freuen, denn die freundlich dezenten schwarz-gelben Schilder ‘Nicht-Rauscher-bahnhof’ und ‘No-Smoking-area’ werden durch die Bank weg ignoriert *grrrrrrr*
Ah, und in den Bussen gibt es jetzt die große Beschriftung, dass ein Rollator im Bus nicht zum Sitzen genutzt werden soll, weil gefährlich ^^°
Lass DE mal noch etwas Zeit, wir holen bestimmt auf ;)
Da nimmt sich ja die viel gescholtene Beschilderungswut auf deutschen Autobahnen geradezu karg aus. Spontan habe ich die Idee für eine Karikatur auf Michael Schuhmacher.
Wie hast du es denn geschafft den kawaii factor der mich in japan immer und ueberall erschlaegt nirgens auf bildern zu haben?;) Eines wollte ich aber klarstellen: die toilettenschilder sind meistens mit Braille versehen und machen also Sinn… ich find die Blinden- freundlichkeit beeindruckend- und die absolute miss late fur alle mit anderen motorischen Behinderungen…amerikanische Beipackzettel sind in der gleichen liga…
Die Blindenpläne für Toiletten – an sich OK, aber ich zweifle stark daran, daß sie benutzt werden. Sie sind ja ziemlich selten, so daß ein Sehbehinderter kaum auf die Idee kommen wird, jedes Mal erst die Wand abzusuchen danach. Wenn er/sie so gut sehen kann, daß er/sie diese Pläne entdeckt, dann reicht die Sehkraft wahrscheinlich auch dafür, im Raum selbst das richtige Klo zu finden. Mit anderen Worten: Das ist so ein Beispiel für “lieb gemeint”.
Ich find die Toilettenpläne praktisch, dann weiß ich wo sich japanische und wo sich westliche Toiletten befinden und muss nicht erst jede Tür aufmachen.
Aber generell hast Du recht, wobei mich die Durchsagen mehr stören als die Schilder.
Also ich finde das mit der Blindenfreundlichkeit in diesem Zusammenhang schon bemerkenswert. Mir ist erst relativ spät bewusst geworden, dass z.B. die Ansage auf Rolltreppen (“Treppe endet bald!” “Treppe endet in Kürze!” “Treppe endet jetzt!”) möglicherweise AUCH dahingehend konzipiert wurden. Aber ja, es ist dennoch nicht zu leugnen … man wird schon sehr gut informiert! Nihonjinron-Beiträge sind eben doch die besten.